Wie ich meiner dunklen Seite begegnete
Wie sieht das Dunkle im Menschen aus? Die Spielarten des Dunklen und Bösen sind facettenreich in uns. Wir kennen sie gut aus Filmen, Büchern und Mythen. Doch seiner eigenen dunklen Seite zu begegnen hat eine ganz andere Dimension. Bei einem Film bin ich distanzierter Zuschauer und kann aus sicherer Entfernung dem Plot folgen. Dieser Artikel handelt von einem realen Menschenleben. Meinem. Und ich bin der „Held“, besser gesagt verwandle ich mich langsam von einem Helden in einen Menschen, der lernen muss, mit seiner dunklen Seite zu leben. Klingt nicht nach Bullerbü – eher nach Mordor.
Wie die aufmerksamen Leser*innen des Artikels Wer zieht hier eigentlich die Fäden? mitverfolgen konnten, zeichnete ich im Dialog mit meiner Co-Autorin von mir das Bild eines strahlenden Kriegers mit einem großen empfindsamen Herzen. Das Drehbuch meiner Innenwelt bestand damals aus drei Protagonisten. Einer freundlichen, wort- und zugewandten Person, die mit allen Menschen in einen persönlichen Kontakt gehen kann. Dahinter dieser strahlende, kraftvolle Krieger, der neben seiner Kraft die Liebe in sich trägt. Zum Bild gehörte noch der kleine empfindsame Junge, den beide beschützten. Als Mensch mit diesen Inneren Personen wirke ich auf andere harmonisch, strahlend und positiv.
Dieses Drehbuch war nicht falsch, da diese Kräfte in mir wohnen, nur ist es unvollständig und idealisiert. Ich selbst glaubte gern an dieses Drehbuch, da es sich durchweg positiv anfühlte. Bis meine eigene Forschungsreise dieses Bild vollständig auf den Kopf stellte. Es fehlte in meinem Skript der wesentliche Bestandteil, das Zentrum, der Regisseur. Er war bis dahin verdeckt geblieben.
Im Kinosaal wird das Licht heruntergedimmt. Der Gong ertönt. 3, 2, 1 – der Film zu meinem Dunklen beginnt.
Mein Forschungsprozess
Die Reise führt nach Schweden zu Veeta und Artho Wittemann. Im idyllischen Gravendal in Mittelschweden verbringe ich zwei Wochen mit intensiver Innenweltforschung. Am Anfang meiner Reise bin ich naiv, ahnungslos und leichtgläubig. Tiefgreifend wird die Veränderung sein und mein weiteres Leben formen.
Die Forschungsreise mit Veeta beginnt mit einem großen Paukenschlag. In der ersten Sitzung landen wir an meiner zentralen Machtstelle, der Geheimen Machtseite (GMS) meiner Psyche. Ich bin geplättet von der Geschwindigkeit und Treffsicherheit, mit der Veeta den machtvollsten Bewohner meiner Psyche aufspürt und enttarnt. Nur auf der Energieebene war er die ganze Zeit spürbar und immer mit anwesend. Als er in Erscheinung tritt, wird die Energie im Raum sehr dicht und raumgreifend. Seine Aura der Macht und Distanz verbreitet sich. Da zeigt sich ein Mann, der Macht ausstrahlt und sich dieser sehr bewusst ist. Sein Wesen ist kraftvoll, männlich und instinkthaft. Das bedeutet, dass er sowohl im Kontinent Mann als auch Tier beheimatet ist. Carlos, so nenne ich ihn, hat das Wesen eines Kriegsherrn, eines Strategen, der mit allen Wassern der Kriegsführung gewaschen ist. Nichts kann ihn erschüttern oder berühren, ich spüre in ihm eine große Härte und Gnadenlosigkeit.

Über Träume, Bilder und in Sitzungsarbeit erforschen wir gemeinsam diese Kraft in mir. Ihre geschützte Position hat meine zentrale Machtstelle selbstgewollt ein wenig aufgegeben, um in direkten Kontakt mit Veeta zu treten. Das Erwerben von Wissen, um noch ausgefeiltere (Tarn-)Strategien zu entwickeln, lässt sie diesen Schritt machen.
Carlos first
Carlos‘ Sicht auf die Welt und die Menschen ist eindeutig. Seine Haltung wäre mit dem Slogan „Carlos first“ oder „Make Carlos great again“ gut umschrieben. Wobei sich seine Männlichkeit nicht so plump ausdrückt, eher strategisch. Der männliche Überlegenheitsmythos sitzt tief in ihm. Er verachtet das Weibliche, vor allem wenn es das Männliche manipuliert. Schnell kann Carlos eine Manipulation im Raum wittern. Er ist jedoch selbst ein Meister der Manipulation, der geheimen Kriegsführung und geschickten Schachzüge. Es fallen die Schnelligkeit, Blitzartigkeit und Treffsicherheit auf, mit denen er agiert.
Wie ein Samurai mit Schwert und Wurfsternen, der alle Dinge und Menschen im Blick hat – immer bereit zu kämpfen, wenn es erforderlich ist. Worte und Klarheit sind sein Schwert. Treffsicherheit und Geschwindigkeit sind seine Wurfsterne.
In unserem täglichen Kontakt spiegelt Veeta mir dies, da ich blitzschnell das Ruder der Kommunikation an mich reiße und den Gesprächsverlauf in meine, besser gesagt Carlos‘ Richtung bringe. Ebenso in der späteren Sitzungsarbeit nach Schweden, ist dieses blitzschnelle Agieren da und meine Begleiterin merkt kaum, wie schnell dadurch die Ausrichtung unseres Gesprächs verändert wird. Mir war das früher nie bewusst. Heute versuche ich mich im Kontakt mit dem Gegenüber zu bremsen, damit ich mit dieser Schnelligkeit niemanden überfahre und z.B. mein Gegenüber aussprechen und das Gespräch mitgestalten lasse.
Brandherde
Die Haltung in Bezug auf das Weibliche und Männliche wird in meinen Träumen sichtbar und von Veeta in meisterhafter Symboldeutung und Übertragung auf meine Innenwelt herausgearbeitet. Ich bin in meinem Wesenskern berührt und erschüttert zugleich. Veetas Geschenk, ihre herzliche und zugewandte Art, kann Carlos nicht annehmen. Es bleibt immer eine Distanz. Carlos unterbricht das Band des Zwischenmenschlichen und hinterlässt eine mal mehr, mal weniger sichtbare Spur von Brandherden, Brandflecken, verbrannter Erde.

Diese zeigen sich in Form von realen Brandflecken auf dem Rasen, die ich einfach so hinterlasse, ohne mir über Veetas und Arthos Besitz und dessen Zerstörung einen Kopf zu machen. Mein Zimmer hinterlasse ich nicht so aufgeräumt und ordentlich, dass es für die nachfolgende Besucherin so schön und angenehm wie möglich ist. Dahinter steckt, dass ich es für die Anderen nicht wirklich gut machen möchte. Von Veeta bekomme ich am Ende den Auftrag, meine Brandstellen zu erforschen. Es dämmert mir, dass viele Dinge, die in meinem Leben passiert sind, aus seiner Feder stammen. Ich beginne meine dunklen Seiten sehr genau kennenzulernen und die Folgen in meiner Tiefe zu erspüren.
Wie ich mit der dunklen Seite meiner Macht lebe, erzähle ich im zweiten Teil meines Artikels.
Lieber Robert, danke, dass du den Artikel gelesen und kommentiert hast, dass bringt Leben in den Blog und ich freu mich über das Lob. Wie Carlos es schafft, die Dinge blitzschnell in seine Richtung zu lenken, liegt im Wesen seiner Natur. Als Stratege, Krieger und Spieler hat er eine schnelle Auffassungsgabe und Reaktion auf die Welt. Oft sind seine schnellen Schlüsse super exakt und klar. Andererseits verzerrt er blitzschnell die Welt und Menschen durch seinen Filter der Rache und unterliegt seiner eigenen Überhöhung und Selbstverliebtheit. So richtig ist er noch nicht von seinem hohen Ross herabgestiegen, um selbstlos seine Geschenke in die Welt zu geben.
Gegenstand eines Berichtes zu sein, findet er schon ganz ok, die Welt darf ihn (auf seine Weise) sehen.
Liebe Grüße Christian
Lieber Christian, wir kennen uns ja nur ein wenig und ich habe Deinen Prozess nur aus der Ferne mitverfolgt. Ich hätte aber nicht gedacht, dass Du den Mut und die Klarheit haben würdest, so ehrlich und luzide darüber zu schreiben, gerade weil es nicht so angenehm und vorteilhaft war für Dich. Ich bin beeindruckt und gespannt auf den zweiten Teil. Gerne wüsste ich noch etwas genauer, wie Carlos es schafft, die Dinge so blitzschnell in seine Richtung zu lenken. Und wie er selbst es findet, Gegenstand eines Berichtes zu sein. Auf alle Fälle: Danke!! Robert