Filmtipp: Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?

Wie kann uns die Liebe im täglichen Allerlei nur abhandenkommen? Sie scheint auf magische Weise unterzutauchen. Wir finden uns dann leicht im Streit mit denen wieder, die wir doch eigentlich lieben. Oft merken wir gar nicht, wie wir in Beziehungen unsere Liebe langsam und unmerklich zurückziehen und uns davon trennen. Wir verhalten uns machtvoll, zurückhaltend, gleichgültig, vielleicht sogar aggressiv. Manchmal vermögen nur existentielle Ereignisse, uns wieder wachzurütteln und die Verbindung zu unserer Liebe und unserer Seele neu zu beleben. 

Wie die Liebe wieder wach wird

 „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ Der Film erzählt überraschend leicht, fantasievoll und mit reichlich Komik von existentiellen Themen. Er handelt von Krankheit und Tod, Liebe und Verbundenheit, Menschlichkeit und der Beziehung zu Gott. Mit einer magischen Bildsprache gibt er Einblick in das Beziehungsgefüge einer Familie, das aus dem Ruder gelaufen ist. Und zeigt, wie die Beteiligten wieder zu Liebe und Zusammenhalt zurückfinden. 

Ich habe gelacht, mich manchmal empört, wurde still und nachdenklich. Oft habe ich gedacht: „So verrückt und skurril sieht es auch in unserer Innenwelt aus.“ Diese menschlichen Eigenwilligkeiten finde ich doch auch in mir vor, in meiner inneren Familie, meinen verschiedenen Inneren Personen. Gegensätzliche Perspektiven und Bedürfnisse prallen aufeinander und verursachen nicht nur innere Beziehungsstörungen. Diese inneren Konflikte spiegeln sich dann in meinem äußeren Leben wider. Mit der IndividualSystemik habe ich zum Glück gelernt, meine Innenwelt-Bewohner als unabhängige innere Anteile zu erleben und ihr Zusammenwirken bewusster zu gestalten. Die Protagonisten dieses Films sind wie sie. Mit ihrem reaktiven Nein und ihrem Ja, mit ihrer Zurückgezogenheit, ihrem starken Willen und ihrer Möglichkeit, wieder neu lieben zu lernen. 

Liebe nach 38 Jahren, 4 Monaten und 11 Tagen

Die Film-Geschichte: Charlotte behält ihre Alzheimer-Diagnose für sich und will als Geburtstagsgeschenk für ihre Enkelin Jo mit ihrer ganzen Familie einen Ausflug ans Meer unternehmen. Nachdem diese sich dagegen stemmt lässt Charlotte kurzerhand ihren Mann Paul auf einer Autobahnraststätte stehen und fährt allein weiter – mit Jo als blindem Passagier. Paul und Jos Mutter Alex machen sich auf die Suche nach den beiden. Eine verrückte Reise beginnt, eine überraschende Liebesgeschichte entspinnt sich, ein Tête-à-Tête mit „Gott“ wird zum Antidepressivum und belebt seine Beziehung zu den Menschen … die Liebe erwacht neu.

Liebe: direkt, unverstellt, fantasievoll

Mich hat die Entschlossenheit fasziniert, mit der Charlotte ihren Wünschen folgt. Ihre Diagnose hat sie aufgerüttelt, neuen Lebenshunger geweckt und sie folgt ihren tieferen Impulsen – so verrückt sie auch sein mögen. Sie will das Leben noch feiern. Sie erscheint dabei mit so viel Komik und Tiefe gleichzeitig. 

Und Jo, die elfjährige, hat mich mit ihren Fragen begeistert: „Wer hat eigentlich den Tod erfunden und warum?“.  Auf ihre originelle, witzige und selbstbewusste Art reagiert sie auf das Leben und den Tod genau passend. Als ihre Katze nach einem Sprung aus dem Fenster stirbt, zelebriert sie ihre Trauer mit Kerzenmeer und Mantras und trägt die Leiche solange im Koffer mit sich herum, bis sie endlich beerdigt und verabschiedet werden kann. Jo weiß noch, was richtig und falsch ist, und folgt kompromisslos ihrer inneren Wahrnehmung. 

Oder „Gott“ in seiner fantasievollen Pension am Meer, voller Patina, in der moosbewachsene Schränke die Zimmer möblieren: Ist dieser Verrückte wirklich Gott, der depressiv geworden ist, weil keiner mehr an ihn glaubt, oder einfach ein skurriler Mann? Die Bildsprache, mit der sich hier Realität und Fantasie im Film vermischen, lädt zum Philosophieren über Gott und die Welt ein. 

Dieser Film sprüht vor Kreativität und erinnert uns daran, gerade in Zeiten der Krise, wirklich Ja zum Leben zu sagen. In den vielen Verrücktheiten der Geschichte scheint die lebendige Liebe immer wieder durch.

Viel Freude bei diesem leichten, tiefsinnigen Sommerfilm! Ich bin neugierig, wie er euch gefällt und freue mich über eure Kommentare.  

2 Gedanken zu „Filmtipp: Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“

  1. Liebe Devaka,
    Danke für diesen wunderbaren Filmtipp. Ich habe mich sehr angesprochen gefühlt von dem Film. Du hast mich neugierig gemacht mit deiner Beschreibung und ich habe mich wie Du auf die Perspektive eingelassen, dies Zusammentreffen der Protagonist*innen wie eine Begegnung der inneren Gesellschaft zu sehen.
    In dem Zusammenhang fand ich dann den Satz „Was machst Du denn (hier)?“ treffend und super lustig. Ein Zustand den ich erlebe, wenn ich mich auf meine innere Dynamik der Willenskräfte einlasse.
    Die Bildersymbolik empfand ich einladend um auch Effekte die unsere Psyche, aufgrund dieser inneren Realität erzeugt, darin zu finden. Da kann eine Begegnung zweier unterschiedlicher (unbewusster) Willenskräfte schon mal den Effekt einer blockierten Drehtür erzeugen. 
    Viele der starken Bilder wirkten auf mich wie Traumszenen. „Ich liege im Wald und dann kommt plötzlich ein Polizist vorbei und macht mich wach…“ 
    Beim Blick der inneren Gesellschaft fragte ich mich dann, ob wohl auch eine innere Führungsperson auszumachen sein könnte und fand die LKW-Fahrerin hierfür ein tolles Symbol. Eine Frau, die sich selbstbestimmt und mit einer ziemlichen Power, Entschiedenheit und Liebe durchs Leben bewegt. Das Göttliche konnte ich eher als zurückgezogene Führungskraft ausmachen, die sich kaum noch an ihre Kraft und Liebe erinnern konnte. Auch „Gott“ benötigte persönliche direkte Ansprache, wie auch unsere inneren Personen, um sich wieder erinnern und spüren zu können.
    Meret Becker spielt, finde ich, grandios, sie hat übrigens, so entnahm ich es dem Abspann, auch ein Lied für die Filmmusik geschrieben und gesungen. Alles ein kreatives Feuerwerk.
    Ein toller Film, den schaue ich, glaub‘ ich, nochmal.
    Liebe Grüße von Pepper

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    • Liebe Pepper,

      danke für Dein Feedback.
      Der Film ist wirklich ein kreatives Feuerwerk, in dem wir unsere Inneren Personen oder Teile davon wiederfinden können.
      Macht, Eigenwille aber auch Verletzlichkeit fand ich bei allen Personen direkt oder indirekt vor. Das hat sie mir so menschlich und sympathisch gemacht, eben sogar Gott. Er ist zwar zurückgezogen, aber nach und nach bringt er sich ja wieder in die Gemeinschaft ein, feiert und liebt auf seine eigene magische Art.
      Diesen Film werde auch ich sicher wieder schauen. Ich mag besonders Corinna Harfouch mit ihrer Ruhe und Annalee Ranft in der Rolle der Jo. Die Musik zum Film fand ich auch passend. Danke Dir für den Hinweis dass da Meret Becker singt.

      Liebe Grüße, Devaka

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