Vielfalt und Lebendigkeit

Wann hast du dich das letzte Mal so richtig lebendig gefühlt? Und was heißt „lebendig sein“ für dich? Woran kannst du es merken?

Für mich ist das in erster Linie ein Körpergefühl. Wenn ich nach einem intensiven Tanzerlebnis oder einer langen Wanderung in der Natur wieder zur Ruhe komme, spüre ich, wie die Energie in meinem Körper pulsiert, wie sie leicht und frei durch alle Zellen fließt. Ich bin ganz wach und meine Gedanken sind klar. Ich fühle mich verbunden mit mir und der Welt um mich herum. Oder wenn ich mich im Kreis von lieben Menschen frei ausdrücken kann – und eine stimmige Antwort darauf bekomme. Wenn ich in einer offenen, tiefen, authentischen Beziehung bin, fühle ich mich lebendig. Je mehr von mir selbst dabei sein kann – auch von den schwierigen, verletzlichen, peinlichen Seiten – umso reicher und dankbarer fühle ich mich.

Das sind Sternstunden in meinem Leben, aber keine beständige Erfahrung. Warum das so ist und was Lebendigkeit mit unserer inneren Vielfalt zu tun hat, das wollen wir in den nächsten Monaten hier im Blog erkunden.

Warum sind wir nicht zufrieden?

Äußerlich mangelt es uns an fast nichts, jedenfalls den meisten Menschen in der westlichen Welt. Unsere Grundbedürfnisse werden befriedigt, die existentiellen Bedrohungen sind auf ein Minimum reduziert. Vielleicht fühlst du dich ja meist glücklich und erfüllt. Viele Menschen haben sich in ihrem persönlichen Leben aber auch eingerichtet, arrangieren sich mit den Gegebenheiten und verdrängen schmerzhafte Erfahrungen.

Irgendwann kommt wohl jede*r im Leben auch an seine Grenzen. War das nun schon alles, fragst du dich vielleicht. Du fühlst dich in deiner Arbeit nicht mehr wohl oder in der Partnerschaft gibt es häufiger Streit. Manche Menschen werden ernsthaft krank, andere leiden zunehmend an sich selbst oder den gesellschaftlichen Entwicklungen. Oder wir sind einfach unzufrieden, scheinbar ohne Grund. 

Offensichtlich hat Zufriedenheit auch etwas mit unserem Inneren zu tun. Und wie sieht es da aus? Kennen wir uns selbst wirklich? Wenn wir uns die Mühe machen, nach innen zu schauen, fühlen wir uns vielleicht leer, sind verwirrt oder ratlos. Oder wir stoßen auf unverarbeitete, unangenehme Gefühle, die uns zu überwältigen drohen. 

Wir sind viele

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Die IndividualSystemik hat auf unsere unverständliche Innenwelt eine Antwort gefunden: Wir sind viele. In uns leben verschiedene Willenskräfte mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen – die Inneren Personen. Wenn sie sich alle gleichermaßen entfalten könnten, würden wir uns ganz lebendig fühlen. Doch das ist in unserer Welt fast unmöglich. 

Wir können diese verschiedenen Willenskräfte aber genauer kennenlernen. Dabei entdecken wir unterschiedlichste, mitunter erstaunliche Bewohner in uns. Nicht nur lebenspraktische, freundliche, angepasste – nein auch ziemlich unwirsche, sperrige, machtvolle Gestalten.

Meist sind es nur einige wenige, die unser Leben wirklich mitgestalten. Nur bestimmte Innere Personen zeigen sich direkt im vorderen Raum der Psyche. Es sind eher die umgänglichen Artgenossen, die den Kontakt zur Welt aufrechterhalten. Der größte Teil unserer Innenwelt-Bewohner*innen hat sich nämlich versteckt oder aber wurde von machtvolleren, durchsetzungsstärkeren beiseitegedrängt. 

Wie wir unsere eigentliche innere Vielfalt wahrnehmen, hängt davon ab, wie sehr sich die inneren Frauen, Männer, Kinder, die instinkthaften oder spirituellen Bewohner*innen ausbreiten dürfen. Wieviel Spielraum jede*r Einzelne hat, hängt oftmals von unseren machtvollsten Willenskräften ab, die im hinteren Raum der Psyche untergetaucht sind. Ihre Kraft fehlt in unserem Leben. Mehr über die Wirkung der Geheimen Machtseiten erfährst du hier.

Innere und äußere Monokultur?

Die Idee, dass es verschiedene Teile in uns Menschen gibt, hat mir gleich gefallen. Dass sich einige davon in meinem Leben Raum genommen haben und andere ihre Interessen nicht leben konnten, habe ich immer wieder erlebt: Ich war entschlossen, als junge Frau gegen den Willen meiner Familie noch Abitur zu machen und zu studieren. Mein Interesse an Sprachen habe ich aus mangelndem Selbstwertgefühl dann doch nicht zu meinem Beruf gemacht. Meine Sehnsucht nach einer verlässlichen Partnerschaft, nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit wurden immer wieder enttäuscht. Manche meiner Bedürfnisse konnte ich in kleinen Oasen ausleben: die Lust an kreativem Selbstausdruck auf zahlreichen Seminaren, der Spaß an freier Begegnung im Tanzen, die Sehnsucht nach Stille auf Schweige-Retreats.

Warum nur haben sich meine zentralen Bedürfnisse nicht erfüllt, habe ich mich irgendwann gefragt – nichtsahnend, dass bestimmte Willenskräfte in mir genau dies verhindert haben.

Wir leben oft nur aus einer einzigen oder ein paar wenigen „inneren Quellen“ – meist ohne es selbst zu merken. Wir identifizieren uns mit dem, was wir von uns kennen. Dadurch führen wir ein eingeschränktes und einseitiges Dasein. Wir sind reduziert auf wenige Möglichkeiten, mit der Welt in Kontakt zu treten. Und selbst die aktiven vorderen Inneren Personen kennen ihre ursprünglichen Bedürfnisse und Fähigkeiten oft nicht mehr. Sie sind unter zahlreichen Schutzschichten, den Reaktionshaltungen, verborgen. 

Diese Einseitigkeit in unserer Innenwelt hat sich als Antwort auf eine bedrohliche Außenwelt entwickelt. Um sich zu schützen und ihr Überleben zu sichern, haben sich unsere Inneren Personen zurückgezogen oder verbergen sich. Jetzt sind wir abgeschnitten von unserer Tiefe und gehen mit einer eingeengten Wahrnehmung durch die Welt. Eine Nebenwirkung dieser „guten Lösung“ ist, dass wir nur unser eigenes Wohl im Sinn haben und mehr nehmen als geben (s.a. unseren Beitrag Die Welt in der Krise). 

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Aufgrund dessen finden wir auch eine Verarmung in der Welt. Die biologische Artenvielfalt geht dramatisch zurück. Welche Folgen das für uns Menschen hat, lassen wir noch nicht wirklich an uns heran. Auch die Monokulturen auf den Feldern und die erbärmlichen Zustände in den „Tierfabriken“ sind erschreckende Folgen davon, wie sich der Mensch von der Natur entfremdet hat. Obwohl immer mehr Menschen versuchen, den Blick aufs Ganze zu richten – nämlich die Bedrohung unseres Planeten – tun wir uns schwer, gemeinsam zu handeln. Wie kommen wir also aus dem selbstbezogenen Überlebensmodus, in dem wir offenbar alle feststecken, zu einem Leben, das uns innerlich erfüllt und von dort ausstrahlt in die Welt? 

Der Blick aufs Ganze

Wir werden uns immer bewusster, dass eine grundlegende Neuorientierung im Umgang mit unserer Erde notwendig ist. Es gibt zahlreiche Initiativen, in denen Menschen eine andere Art des Wirtschaftens ausprobieren, z.B. Unverpackt-Läden, lokale Energieversorgung, Gemeinwohl-Ökonomie oder Permakultur-Projekte. Es gibt neue Wege respektvollen Miteinanders, durch die Menschen in selbstverwalteten Projekten lernen zu kooperieren statt zu konkurrieren, z.B. in Wohnprojekten oder der sogenannten SoLaWi, der solidarischen Landwirtschaft. In der Utopie-Konferenz der Leuphana, der Lüneburger Universität, wurden diesen Sommer zahlreiche hoffnungsvolle Projekte von der Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel und dem Philosophen Richard David Precht vorgestellt. Diese neuen Werte und Wege sind erstrebenswert und sind gute Schritte, die Welt besser zu machen. 

Trotzdem stelle ich mir die Frage, ob diese konstruktiven neuen Ansätze das Potenzial und die Kraft haben, unsere Gesellschaft langfristig zu transformieren. Oder ob sie nur ein paar Inseln im Meer der allgegenwärtigen Ausbeutung sind.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir es schaffen werden, die Verteilungskämpfe zu verhindern, die durch die knapper werdenden Ressourcen drohen. Die Strukturveränderung, die es bräuchte, um den Klimawandel aufzuhalten, ist noch nicht in Sicht. Mir wird angst und bange, wenn ich darüber nachdenke und die fast täglichen Hiobsbotschaften in den Nachrichten höre. 

Tiefgreifende Veränderung

Wenn wir die Erkenntnisse der IndividualSystemik ernst nehmen, werden äußere Veränderungen wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wenn wir beginnen, in uns selbst aufzuräumen, kommen wir unseren inneren Saboteuren auf die Schliche. Wir entdecken, wo wir mit uns selbst im Krieg sind, wo wir uns selbst klein oder übertrieben groß machen, wo wir uns den Menschen und der Welt verweigern und sie ausbeuten. Was wir in der Welt im Großen erleben, finden wir plötzlich in uns selbst vor. 

In einem Prozess systematischer Selbstreflexion können wir unsere innere Realität erkennen und tiefgreifend verändern. Wir können unsere Inneren Personen nach und nach wieder wahrnehmen, sie erforschen und wieder ins Leben einladen. Indem sie sich selbst reflektieren, können sie ihre verdrehte Vorstellung von der Welt überholen. Und noch mehr: Wenn sie von ihrer Oberfläche in ihre Tiefe gelangen, können sie sich an die Liebe erinnern, an ihre ursprüngliche Natur. Wenn sie mit dieser Essenzkraft verbunden sind, gehen sie wieder ins Leben und verschenken sich selbst.

Dabei spielt die Erlösung der inneren Matriarchinnen (und auch der Patriarchen) eine zentrale Rolle. Das ist mir spätestens beim Anschauen der Video-Reihe Die Rückkehr der Königin von Veeta Wittemann klar geworden (diese gibt es jetzt übrigens auch als Buch, erweitert um interessante Dialoge mit erfahrenen Innenweltforscher*innen). Diese ur-weiblichen Kräfte werden dringend gebraucht, um unsere Handlungsspielräume zu erweitern und der einseitigen technokratischen Sicht auf die Welt und die Natur eine ganzheitliche, die Schöpfung bewahrende Sicht entgegenzusetzen. 

Wenn die Inneren Personen aus allen fünf Kontinenten gleiche Chancen auf Entfaltung und Einfluss haben, kann ein Mensch die Welt und sich selbst aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig wahrnehmen. „Im fruchtbaren Zusammenspiel dieser einseitigen, aber essenzhaften Standpunkte entwickeln die Inneren Personen eine umfassende Wahrnehmung und eine vielseitige Gestaltung der Welt.“ (s. Die Architektur der Innenwelt, Artho Wittemann, S. 321) 

Wenn wir diese Vielfalt wieder leben, können wir den gewaltigen Aufgaben, die uns als Menschheit bevorstehen, kraftvoll begegnen.

Realistisch oder illusionär?

Ich weiß, das klingt für viele Menschen sehr idealistisch. Ist das denn nur eine naive Illusion? Oder doch eine realistische Entwicklungsmöglichkeit für die Menschheit? 

Dass es sich lohnt, in der psychischen Erde zu graben und die darin liegenden Bodenschätze und die verschütteten Edelsteine zu bergen, habe ich auf meinem Weg mit der IndividualSystemik erkannt. Auch wenn der Weg kein Sonntagsspaziergang ist. Die Suche nach meiner tieferen Wahrheit hat mich zu einer äußerst willensstarken inneren Frau geführt, die sich lange und ausdauernd dem Leben verweigert hat. Ich habe in einem wohlwollenden Feld eine Antwort darauf bekommen, wie ich in der Tiefe wirklich bin. Ich fühle mich endlich gesehen, gerade auch mit meiner Abwehr, aber langsam auch wieder mit meinen konstruktiven und kreativen Fähigkeiten. Und ich lerne, mich mit beiden wieder direkter in Beziehung zu setzen.

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Mein Leben wird dadurch reicher, vielfältiger und bezogener. Und es gibt sie wieder: diese Momente großer Lebendigkeit in mir, wo meine Energie wieder leicht und frei fließen kann und wo ich mich in die Gemeinschaft von Gleichgesinnten einbringen kann. 

Wie können wir diese verschiedenen Willenskräfte in uns erforschen? Wie kann es gelingen, dass sie ihre ursprüngliche Art wieder entdecken? Und inwiefern macht das uns – und damit auch die Welt – wieder vielfältiger und lebendiger? Vielleicht inspirieren oder provozieren dich unsere Blog-Beiträge zu diesen Fragen und regen dich an, dich selbst (weiter) zu erforschen. Wir freuen uns auf deine Kommentare. 

 

5 Gedanken zu „Vielfalt und Lebendigkeit“

  1. Liebe Louise,
    Deine Gedanken zur inneren und äußeren Vielfalt haben mich sehr bereichert. Erstens, weil Du sie so stringent und leicht zu lesen formulierst. Und zweitens, weil Du die existentielle Bedeutung von Vielfalt so gut beschreibst. Wie arm und wie anfällig für Störungen Mono-Kulturen sind – im Innen wie im Außen – und wie sie uns der ursprünglichen Kraft der Vielfalt berauben – das sind wichtige Überlegungen. Ich fürchte aber auch, dass es zumindest jetzt zu spät ist für eine grundlegende Richtungsänderung. Wenn ich sehe, wie wenig Menschen sich um die Pracht ihrer Inneren Magerwiese (danke, Anita!) kümmern, dann habe ich keine große Hoffnung für diesen Moment. Das Versprechen, Fordern und Appellieren (wir sollten, müssten, könnten …) und das tatsächliche Tun sind eben zwei Paar Stiefel. Oder eher ein Paar Socken und ein Paar Stiefel. Oder doch eher ein Paar Socken und ein Paar Füße? Das Schöne an diesem Blog ist, dass er von Menschen gemacht wird, die ihre innere Realität beackern und nicht nur darüber nachdenken und fabulieren. Das gibt mir Hoffnung.

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    • Lieber Robert,
      vielen Dank für Deine Gedanken zu meinem Beitrag, vor allem zur Anfälligkeit von Mono-Kulturen. Ja, sie berauben uns und die Natur ihrer ursprünglichen Kraft, die wir in Zukunft nötiger haben werden denn je.
      Deinen Pessimismus kann ich nachvollziehen. Die kleine Feinheit, dass du das „für den Moment“ meinst, rührt mich an. Willst du damit ein Stück Hoffnung andeuten, dass wir uns als Einzelne und als Menschheit doch noch ändern könnten? Das „Beackern“ unserer inneren Realität macht für mich auch in dieser Beziehung absolut Sinn. Wie immer es auch weitergehen wird im Außen.
      Ja, lass uns die Socken über die Füße streifen, die Füße in die Stiefel stecken – und loslegen.
      Liebe Grüße,
      Louise

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      • Liebe Louise, danke für Deine freundliche Antwort! Dass du die „kleine Feinheit“ bemerkst ist schön. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich das etwas deutlicher formulieren soll. Ja, ich habe Hoffnung, dass die Menschheit irgendwann doch noch schlauer wird und beginnt zu vestehen, welche Bedeutung die systematische Untersuchung ihrer unbewussten Willenskräfte hat. Nur wie lange der „Moment“ dauern wird, bis das geschieht, das weiß ich natürlich auch nicht. Aber du hast recht: für den Einzelnen lohnt sich das Beackern in jedem Fall schon mal. In diesem Sinne und im Namen des Fußes, der Socke und des Stiefels: frohes Wandern!

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  2. Liebe Louise,
    was für ein anregendes Thema. Und eins, das die besonderen Gaben der IndidualSystemik hervorhebt. Denn hier geht es ja nicht nur um die Bewältigung von Problemen, sondern gerade auch um die Entdeckung der eigenen Vielfalt und damit Lebendigkeit. Ich wurde an eine meiner Erfahrungen erinnert, die ich gern mit euch teilen würde.
    In meiner Arbeit als Biologin war ich sehr viel draußen unterwegs. Ich habe Flächen ökologisch bewertet und musste dafür die vorhandenen Arten der Pflanzen und mancher Tiergruppen bestimmen. Ich wurde dadurch darin geschult, zu sehen. Die Vielfalt der Blattgrößen und -formen, der Blüten, der Wuchsformen, der Grünschattierungen war anregend, hat meine Sinne geweckt, mir die Augen geöffnet. Eine Wiese, die früher einfach grün mit einigen bunten Flecken gewesen war, wurde durch das beständige Finden und Bestimmen der vorhandenen Arten ein Mikrokosmos.
    Nun ist eine Fettwiese voller Löwenzahn für viele ja etwas Schönes. Es blüht halt. Volle Möhre. Dabei ist es in Wirklichkeit eine verarmte, überdüngte Wüste, in der zwei Farben (und oft nur 3 oder 4 Arten) das Bild bestimmen. Es bleibt den ganzen Sommer gleich. Es ist einfach, man muss nicht genau hinschauen. Tatsächlich wäre das auch frustrierend, denn mehr gibt es nicht zu sehen. Die Wiese könnte sagen, schau mal wie schön ich bin, aber schau nicht genauer hin, hier gibt es nicht mehr zu sehen. Auch mit der Insektenfauna sieht es schlecht aus an so einem Platz, der kein guter Lebensraum ist, da er zu einseitig ist.
    Ganz anders der Magerrasen, wo sich auf einem Quadratmeter locker 70 Pflanzenarten tummeln. Was für ein Ort des Reichtums! Ich weiß dort gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Es gibt mir ein wunderbar reiches, glückliches Gefühl, (vorsichtig) durch solche Flächen zu streifen, den Blick schweifen zu lassen, der schon viel von der Vielfalt erfasst, wissend um die weiteren, dem oberflächlichen Schauen nicht zugänglichen kleineren Arten. Von all dem, was kriecht, krabbelt, flattert, hüpft, zirpt, summt und brummt ganz zu schweigen. Das ist einer meiner großen Lebendigkeitsmomente.
    Wie erklärt man das jemandem, dem Löwenzahn reicht, der sich mit der Oberfläche zufrieden gibt, der ihn gar der Einfachheit und des starken Reizes halber einer vielfältigen Lebendigkeit vorzieht? Man muss es halt sehen, hören, fühlen, um es zu verstehen.
    So wie den Reichtum in der Natur kann man die Tiefe und Vielfalt in anderen Menschen nicht unbedingt wahrnehmen oder etwas damit anfangen. Und man kann sich mit ihr auch nur von der eigenen inneren Tiefe und Vielfalt aus wirklich verbinden. Etwas Beglückenderes kann ich mir nicht vorstellen.

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    • Liebe Anita,
      ja, es ist schön, dass es nun mehr um die Bereicherung geht, die uns die Erforschung unserer Innenwelt auch beschert. Bis jetzt haben wir hier im Blog auch viel gelesen über die Schwierigkeiten, denen wir begegnen, wenn wir in unsere Tiefe hinabsteigen.
      Danke für deine hautnahe Beschreibung der Artenvielfalt. Es ist schön, mit dir durch die bunten Blumenwiesen zu streifen und in dieses quirlige Leben einzutauchen. Da wird aus einem scheinbaren „Magerrasen“ (der Begriff allein ist schon irreführend) ein Biotop von lebendiger Schönheit. Leider hast du recht damit, dass wir es nicht (mehr) zu schätzen wissen, sowohl die Artenvielfalt im Außen als auch unsere eigene innere Vielheit. Da etwas genauer hinzuschauen macht eben auch Mühe. Aber es lohnt sich, das wissen wir Innenweltforscher*innen zum Glück auch.
      Liebe Grüße,
      Louise

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