Wer zieht hier eigentlich die Fäden?

Sonntagvormittag auf einer Couch in Mitteldeutschland. Der Bildschirm flimmert. 

Zwei Innenweltforschungsreisende, nennen wir sie Freda und Jaro, haben es sich mit einer Tasse Tee bequem gemacht. Seit mehr als zwei Jahren sind die beiden gemeinsam mit einer kleinen Gruppe interessierter Menschen aus dem Thüringer Land in der Welt der Inneren Personen unterwegs. Heute werden sie sich auf eine Expedition in das Reich der weiblichen Psyche begeben. Ausgerüstet mit Interesse und Wagemut folgen sie einer geheimen Video-Landkarte, welche aus 12 Teilen besteht und das Rätsel der Matriarchin im inneren System von Frauen erklärt. Beide Forschenden haben Lust, mehr über das Geheimnis ihrer eigenen Psyche und über Frauen zu erfahren. In Folge 7 „Die Falschen am Steuer“ haben sie sich festgebissen. 

Wenn die Matriarchin fehlt

Aufmerksam hangeln sie sich an den Thesen von Veeta Wittemann entlang, die diese Schatzkarte entwickelt hat. Sie zeigt, dass in der inneren Welt vieler Frauen die Falschen am Steuer sitzen, da die eigentliche Führerin, die Matriarchin, sich weit in die Tiefen der Psyche zurückgezogen hat. 

Am Steuer stehen dann oft freundlich-anpassungsfähige Frauen, die Selbstoptimierung betreiben, oder mütterliche Frauen, welche um das Wohl aller besorgt sind. Auch kämpferische Feuerfrauen können das Ruder übernehmen, haben es aber in einer patriarchalen, rationalen Welt sehr schwer. Veeta Wittemann beschreibt die Fähigkeiten und Grenzen all dieser verschiedenen Frauentypen. Und sie erläutert auch, was passiert, wenn ein innerer Mann die führende Rolle übernimmt. 

In Folge 8 Die Kunst der Manipulation erfahren Freda und Jaro, dass Matriarchinnen in der Regel nicht komplett den Rückzug angetreten haben. Sie sind unbemerkt die heimlichen Herrscherinnen. Durch geschickte Manipulation benutzen sie andere, äußere und innere Personen zur Umsetzung ihrer Ziele.

So zeigt Veeta in ihrer Video-Reihe „Die Rückkehr der Königin“ den beiden Innenweltforschenden auf, dass keine andere Innere Person die innere Matriarchin ersetzen kann. Keine im System hat ihre Eindeutigkeit, ihre Standhaftigkeit und ihre Intuition. Niemand ist fähig, so unbeirrt auf die weibliche Sicht der Dinge zu bestehen und die weiblichen Werte zu verteidigen. 

Frau und Mann im Dialog

Schon bald entbrennt ein langes und eindrückliches Gespräch zwischen Freda und Jaro. Die seit einigen Jahren andauernde Innenwelt-Reise der beiden hat ihr Miteinander vertieft und zu gegenseitigem Respekt geführt.

Freda: Jaro, kennst du im Kontakt mit Frauen das Gefühl, da passt was nicht zusammen? Zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was unterschwellig rüberkommt?

Jaro: Für mich ist das am eindrücklichsten bei meiner eigenen Mutter der Fall. Von außen kann ich bei ihr zwei sehr gegensätzliche Anteile ausfindig machen. Da ist die fürsorgliche Mutter, die sich um alles kümmert und ihre Liebe über das Helfenwollen ausdrückt. Dann gibt es etwas in ihr, das machtvoll, distanziert und boshaft sein kann. Dieser Teil weiß sehr genau, was für die anderen gut ist, und gibt dies in einem herrischen, resoluten Ton zu verstehen, ist dabei hart und gnadenlos.

Freda: Wie hat sich das in deiner Kindheit angefühlt? 

Jaro: Als Kind bringt dich das in eine katastrophale Lage. Eben war da noch die überflutende Liebe und Fürsorge und dann ist da wie aus dem Nichts etwas Unerbittliches, Hartes, was verletzen kann. Dieser Spagat zwischen der eben noch empfangenen Liebe und auf der anderen Seite diese plötzliche Kälte und Zurückweisung war schwer bis gar nicht ertragbar. Ich erlebte von Seiten meiner Mutter Übergriffigkeit und Manipulation. Dies ließ in mir auch sehr gute Antennen für diese Art der Machtausübung entstehen. So kann ich instinktiv viele Formen der Manipulation wittern. 

Freda: Ich glaube, so ein bisschen kenne ich das auch von mir. Dieses unerbittlich Harte kommt in manchen Auseinandersetzungen mit meiner pubertierenden Tochter auch zum Vorschein … Hat das Verhalten deiner Mutter Einfluss auf deinen heutigen Umgang mit Frauen? 

Jaro: Das Thema Manipulation begleitet mich dahingehend, auch zu schauen, wo und wie manipuliere ich selbst. Dieses Spiel der Manipulation kann ich sehr gut in Richtung der Frauen spielen. Es gibt nicht nur die Waffen der Frauen, die z.B. darin bestehen, ihre weiblichen und körperlichen Reize einzusetzen – auch ich als Mann kann das. So kann ich bei Frauen Interesse wecken, es ist wie ein Spiel. Diese „Um den Finger wickeln“-Strategie funktioniert richtig gut, und wenn die Verwicklung gelingt, dann findet oft ein Benutzen für die eigenen Zwecke statt. Problematisch ist an der Stelle, dass dies bei den Frauen in der Vergangenheit zu schweren Verletzungen geführt hat. Und ich als Mann muss anerkennen, dass ich in diesem Geschlechterkampf nicht unschuldig bin, sondern den Frauen damit tiefe Wunden zugefügt habe. Dies anzuerkennen und zu mir zu nehmen ist schwierig, deprimierend und desillusionierend für das eigene Selbstbild. Möchte ich doch als unbescholtener Mann mit reiner Weste dastehen. 
Hier eröffnet sich für mich ein neues Forschungsfeld. Immer schneller merke ich, wenn meine Manipulationsstrategien einsetzen. Dann kann ich entscheiden, ob ich ihnen folge oder nicht. Zeitweise sind diese Strategien auch für mich immer noch verdeckt oder ich merk es selbst erst im Nachhinein. Es ist deprimierend, zu wissen, da ist ein Teil von mir im Hintergrund, der nicht nur die Frauen, sondern auch mich selbst manipuliert. 

Freda: Wie hast du denn auf deine Mutter reagiert?

Mann öffnet sein Hemd dahinter Mauer

Jaro: Ich konnte gegenüber meiner Mutter eine große Mauer aus Unberührbarkeit, Arroganz und Stärke entstehen lassen und sie prallte daran ab. Unsere Beziehung litt sehr darunter. Hinter meiner Mauer war und bin ich unverwundbar. Da spüre ich nichts und kann sehr gut kämpfen. Die Folge aus diesem Mechanismus sind sinnlose Kämpfe, in denen es keinen wirklichen Gewinner gibt und viele Verletzungen entstehen.

Freda: So erlebe ich Männer häufiger. Da fallen mir sofort verschiedene Kollegen und Männer aus dem Freundeskreis ein. Auch von meinem Mann kenne ich solch einen Anteil. Ich finde das spannend und wichtig, welche Umstände so eine Haltung mitverursachen können! Magst du mal was zu deinen Schätzen sagen?

Jaro: Unter der Schicht der Unberührbarkeit und Kraft kam ein empfindsamer und berührbarer Krieger zum Vorschein, der in seinem innersten Kern für die Liebe und für das Leben kämpfen will. Dieser Forschungsprozess förderte eine neue Kraft, Klarheit und Liebe zutage, die sich auch auf mein alltägliches Leben auswirkt. Und so kann ich auch einen anderen Umgang mit meiner Mutter finden, da ich nicht automatisch in meine unbewusste Kampfhaltung gehen muss.

Inzwischen weiss ich allerdings, dass es unter der Schicht meines berührbaren Kriegers auch noch eine destruktive Kraft gibt. Aber davon erzähle ich ein andermal …

An welchen Stellen in den Videos hast du dich denn erkannt?

Freda: Bisher habe ich noch keinen Kontakt zu meiner inneren Matriarchin gehabt und habe keine Vorstellung von ihrem Wesen. Aber mir sind schon einige der hier erläuterten Mechanismen vertraut. Eigentlich erkenne ich mich sogar in allen von Veeta beschriebenen Inneren Personen wieder …

Da gibt es ganz vorne meine Alva. Das ist eine zarte, freundliche junge Frau, die sich immer verantwortlich fühlt, dass es allen Menschen in ihrer Umgebung gut geht. Sie ist emphatisch und fleißig und geht oft über ihre Grenzen. Das ist vor allem beruflich und in der Familie der Fall. 

Ich glaube, sie ist so eine Mischung aus dem mütterlichen und dem engagiert-anpassungsfähigen Typ. Und gerade in meinem Beruf als Krankenschwester ist sie sehr wertvoll. Alva hat ein großes Herz und kann auch Menschen im Außen gut in Verbindung bringen. Allerdings kommt sie schnell an ihre Grenzen, wenn sie auf Ignoranz oder Abwehr trifft. Das merke ich auch körperlich. Ihre Empfindsamkeit, verbunden mit dem Anliegen alles „gut“ zu machen, zieht gerade aktuell sehr viel Energie.

Jaro: Gibt es jemanden, der übernimmt, wenn Alva nicht weiter kann?

Freda: Ja. An solchen Stellen springt meistens mein Wächter ein. Er ist meistens fair, klar und direkt. So, wie Veeta es in ihrem Video beschreibt. Er kann logisch und sachlich argumentieren. Und er kann sich ganz gut in Männer hineinversetzen. Tatsächlich ist es dann leider oft so, dass ich aus dieser Position heraus manche weiblichen Tugenden abwerte, z.B. Emotionalität oder Harmoniestreben.

Jaro: Ich glaube, neulich konnte ich dich auch mal in einer Art Kriegerin erleben? 

Freda: Meinst du bei unserem lauten Telefonat vor zwei Wochen? Da war ich ja echt sauer auf dich – und über mich selbst erstaunt. Offenbar kannst du da einiges aushalten und hast auch so reagiert, dass ich nicht den Impuls hatte, sie zurückhalten zu müssen. Ja, die Kämpferin könnte meine Morla sein. Sie ist ein weiblicher Anteil in meinem System, dem ich bisher wenig Raum gebe. 

Morla ist relativ versteckt. Sie hat schon früh gelernt, dass ihre Impulsivität und ihre instinktive Sicht auf die Dinge nicht so gut ankommen. Da habe ich mir schon als Kind in meinem familiären und kirchlichen Umfeld so einiges anhören müssen. Auch mein Mann ist mit diesem impulsiven Anteil schnell überfordert. Oft reagiert er mit Rückzug, Ignoranz oder Abwertung. Obwohl ich inzwischen weiß – und von dir gerade noch mal bestätigt bekommen habe – dass es ein Schutzmechanismus ist, tut das am meisten weh. Das sind genau die Reaktionen, die Morla schon von Anfang an kennt und aufgrund derer sie sich zurückgezogen hat. 

Eingesperrter Löwe

Als es in Veetas Ausführungen darum ging, welche Folgen es hat, wenn die Kriegerin glaubt, sich zurücknehmen zu müssen, hat mich das besonders tief berührt. Und ich kann das voll bestätigen. Wenn Impulsivität und Kampfgeist nicht sein dürfen, gehen massiv viel Kraft, Feuer und auch Freude verloren. Sowohl im Beziehungsleben als auch beim Voranbringen von Projekten aller Art.

Zwischendurch hab ich immer mal gedacht, eine Kombination der benannten Anteile könne durchaus die Matriarchin ersetzen. Doch ich merke selbst, dass da noch eine entscheidende Energie fehlt. Ich freue mich darauf, meine Matriarchin irgendwann kennenzulernen.

Nachklang

Sonntagmittag sitzen beide Innenweltforscher*innen vollgepackt mit leicht rauchenden Köpfen auf dem Sofa und sind dem Mysterium der menschlichen Psyche und ihren zahlreichen Rätseln wieder ein Stück nähergekommen. Neue Fragen blitzen auf und die Reise ist noch lange nicht zu Ende. Der Wagemut beider Forscher*innen wurde belohnt mit vertieften Einsichten in das Rätsel unseres Menschseins und somit über sich selbst.

Schreibe einen Kommentar